… vor über 125 Jahren
Gegründet wurde der VSHKG im Jahr 1896. In diesem Jahr veröffentlichte Theodor Herzl sein wegweisendes Werk Der Judenstaat, Friedrich Naumann gründete den „Nationalsozialen Verein“, Gerhart Hauptmann vollendete sein Schauspiel Florian Geyer und Anton Tschechow Die Möwe. Der in Dithmarschen beheimatete Dichter Gustav Frenssen brachte seinen Roman Die Sandgräfin heraus, der verstorbenen Clara Schumann widmete Johannes Brahms seine Vier ernsten Gesänge. Während andere historische und kirchenhistorische Vereine zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahrzehnte existierten, entfaltete sich der Impuls zur Gründung eines eigenen Vereins für die lutherische Landeskirche in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein erst gegen Ende des Jahrhunderts. Der Verein für Hamburgische Geschichte, an dessen Gründung die Theologen der Hansestadt aktiv beteiligt waren, entstand 1839. Die Gründung der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte fand 1895 statt, in Westfalen folgte die Vereinsgründung im Jahr 1897. In fast allen Landeskirchen des Deutschen Reiches bildeten sich ähnliche regional ausgerichtete Vereine bzw. Vereinigungen, die sich die Erforschung ihrer jeweiligen Kirchen zum Ziel setzten. Die nach 1870 entstandenen historischen Vereine stellen vereinsgeschichtlich die größte Gruppe dar. Diese traten in der Regel von Anfang an mit einem historisch-wissenschaftlichen Anspruch auf.
Die Gründungsväter
In Schleswig-Holstein waren es vor allem zwei Personen, die die Vereinsgründung vorantrieben: der Pastor Ernst Michelsen (1855–1928) und der Kieler Ordinarius für Kirchengeschichte Prof. Dr. Hans von Schubert (1859–1931). Ernst Michelsen war von 1884 bis 1925 Gemeindepastor in der kleinen nordfriesischen Kirchengemeinde Klanxbüll. Er trug mit seinen Aufsätzen und Büchern zur Erschließung der kirchlichen Vergangenheit Schleswig-Holsteins erheblich bei. Der erste Vorsitzende des neu gegründeten Vereins wurde v. Schubert; bis zu seinem Weggang an die Universität Heidelberg hatte er von 1896 bis 1906 den Vorsitz inne. Auch er forschte und veröffentlichte neben seinen Beiträgen zur globalen Kirchengeschichte zu der Schleswig-Holsteins. Die beiden Männer hatten sich im August 1894 anlässlich eines Vortrags von v. Schubert über die historischen Belange ihrer Landeskirche ausgetauscht. Am 6. Juli 1896 kam dann durch deren Initiative die Gründung des Vereins zustande. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es dazu:
„Eine recht zahlreiche Versammlung hatte sich auf Einladung von Pastor Michelsen-Klanxbüll und Professor D. Dr. v. Schubert am Montag Nachmittag um vier Uhr in der kleinen Aula der Universität eingefunden, um den Sinn für schleswig-holsteinische Kirchengeschichte zu beleben. Prof. v. Schubert begrüsste die Versammlung und wies einleitend darauf hin, einen wie grossen wissenschaftlichen und praktischen Wert die Beschäftigung mit der Kirchengeschichte unseres Landes hat, und wie interessant gerade unsere politische und kirchliche Geschichte ist, wie aber trotzdem die Forschung auf diesem Gebiete darniederliegt, oder doch wenigstens der Kirchengeschichte noch nicht genügendes Interesse gewidmet wird. Pastor Michelsen teilte dann die Vorschläge mit, durch welche man den Sinn für schleswig-holsteinischen Kirchengeschichte zu beleben und die zerstreute Arbeit Einzelner zu sammeln hofft.“
Die ersten Mitglieder
Die Gründung des VSHKG schloss mit der Bildung des Vorstands an, 50 Männer bildeten die ersten Mitglieder. Im November 1896 wurde mit einem Aufruf die Gründung bekannt gemacht und um weitere Mitglieder geworben.
Ein Jahr später, genau am 6. Juli 1897, fand wiederum in der kleinen Aula der Kieler Universität die erste Versammlung des Vereins statt. Bei diesem Treffen wurde u. a. über geplante Veröffentlichungen des Vereins beraten, die von 1897 an in zwei Reihen erschienen. In § 1 der Satzung heißt es:
„Der Verein für schleswig-holsteinische Kirchengeschichte hat zum Zweck, die Erforschung der Geschichte der schleswig-holsteinischen Landeskirche und die Bekanntschaft mit derselben in weiteren Kreisen zu fördern. Die Thätigkeit des Vereins wird deshalb sowohl gerichtet sein auf die verschiedenen Gebiete des innerkirchlichen Lebens, als auf die Geschichte der Landesteile und Gemeinden, die unsere Landeskirche bilden oder geschichtlich zu derselben in Beziehung stehen. Besondere Aufmerksamkeit soll auch den Spezialgebieten der Geschichte des Schulwesens und der kirchlichen Kunst zugewandt werden.“
Das im Anschluss an die Satzung des Vereins abgedruckte Mitgliederverzeichnis nennt insgesamt 175 Personen, von denen die meisten Pastor der Landeskirche waren. Auffallend ist dabei, dass es in jeder Propstei inzwischen einen Vertrauensmann gab. Unter den Mitgliedern stechen drei Namen hervor: Zwei Frauen sowie ein jüdischer Rabbiner gehörten zu diesem Zeitpunkt dem Verein an. Es handelt sich um Frl. Lühs aus Altona sowie um Frl. Michelsen, die als Institutsvorsteherin aus Göttingen bezeichnet wird. Die dritte Person ist der Kieler Prediger der israelitischen Gemeinde, Dr. Moritz Stern. Wie lange diese drei jeweils Mitglieder im Verein blieben, ist nicht bekannt, da die Mitgliederlisten nicht vollständig vorliegen.
Die bisherigen Vorsitzenden
In den ersten rund 100 Jahren der Vereinsgeschichte waren es acht Kirchengeschichtler, die den VSHKG geleitet haben. Die derzeitige Vorsitzende wurde 2012 gewählt. Die Porträts der vorherigen Vorsitzenden, wurden von Mitgliedern des Vorstands verfasst und zuerst in der Zeitschrift des VSHKG veröffentlicht: ZSHKG 2, 2015, 11–25.
Archivalien
Findbuch des Archivs des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte im Landesarchiv Schleswig
Der Bestand enthält Unterlagen der Verwaltung des Vereins, insbesondere aus den Bereichen der Vorstandsarbeit, des Haushalts, der Stiftungsarbeit und Stipendienvergaben an Studenten der Theologie sowie Korrespondenz in Vereinsangelegenheiten.
... und heute?
Die Mitgliederzahl liegt derzeit bei ungefähr 200; inzwischen ist es leider nicht mehr selbstverständlich, dass alle Pastoren und Pastorinnen der Region dem Verein angehören. Während die zwei weiblichen Mitglieder im Jahr 1897 eine Ausnahme bildeten, beteiligen sich seit etlichen Jahren auch Frauen intensiver an der Vereins- und Vorstandsarbeit. Die Publikationen erscheinen weiter in zwei Reihen, jetzt beim Matthiesen-Verlag in Husum. Zudem ist der VSHKG über eine Website zu erreichen (www.vshkg.de) sowie in den sozialen Medien aktiv (Instagram: v.shkg). Gemeinsam mit den kirchengeschichtlichen Vereinen Mecklenburgs und Pommerns verantwortet der VSHKG eine gemeinsame Website, die über die Kirchengeschichte auf dem Gebiet der Nordkirche informiert: www.forumgeschichte-nordkirche.de.
Am 26. Oktober 2021 feierte der Verein sein 125jähriges Jubiläum mit einer festlichen Veranstaltung in der Kieler Nikolaikirche. Zu den Höhepunkten der Feier gehörten das Grußwort von Kristina Kühnbaum-Schmidt, der Landesbischöfin der Nordkirche, sowie der Vortrag des Kieler Kirchenhistorikers Prof. Dr. Tim Lorentzen zum Thema: Was ist Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte?